Kaum ein Knochenbruch des menschlichen Körpers wird häufiger übersehen als ein Kahnbein-Bruch.
- Muss eine Operation durchgeführt werden ?
- Oder genügt eine Gipsbehandlung für ein gutes Ergebnis ?
- Wie lange wird die Behandlung dauern ?
- Wie sind die Erfolgs-Aussichten ?
- Welche Möglichkeiten bestehen im Falle einer ausbleibenden
knöchernen Heilung ?
Das Kahnbein ist ein wichtiger und zentraler Knochen am Handgelenk.
Es liegt in direkter Nachbarschaft zur Speiche.
DIAGNOSE
RÖNTGEN-AUFNAHME des Handgelenks
Häufig kann man auf den ersten herkömmlichen Röntgen-Aufnahmen des Handgelenk einen Kahnbeinbruch nicht erkennen. Deshalb muss man entweder Spezial-Aufnahmen in anderen Einstellungen durchführen (sog. Kahnbein-Quartett-Aufnahmen oder Stecher-Aufnahmen) ODER weitere Röntgen-Kontrollen in 1-2 Wochen, dann ist der frische Kahnbein-Bruch häufig besser zu erkennen. Sehr hilfreich ist ein CT (Computer-Tomogramm) sogenanntes Dünnschicht-CT im Achsverlauf des Kahnbeins. Ein MRT (Kernspin-Tomographie) ist zur Frühdiagnostik nicht empfehlenswert. Auf diesen Aufnahmen werden gelegentlich einfache Prellungen des Knochens (sog. bone-bruises) als Knochenbrüche fehlinterpretiert. Ein CT des Kahnbeins hat auch den Vorteil, frische von alten Kahnbeinbrüchen unterscheiden zu können.
THERAPIE DES FRISCHEN BRUCHS
Ein frischer Kahnbeinbruch ist ein Knochenbruch, der innerhalb der ersten 3-4 Wochen festgestellt wird.
Unterschieden wird nach Lokalisation des Bruchs inerhalb des Kahnbeins:
- KÖRPERFERNES DRITTEL (distal) – Diese Brüche heilen meist mit einer Gipsschiene oder Orthese ( Äußere Stoffschiene mit Klettbändern ) für 6-8 Wochen
- MITTLERES DRITTEL – Hier besteht die Option der Gipsruhigstellung für 10-12 Wochen ( Unterarmgips mit Daumengrundgliedeinschluss ) oder die Möglichkeit der Verschraubung.
- Dies entscheidet der Patient zusammen mit dem Arzt, am besten unter zu Hilfenahme eines Computer-Tomogramms. Hier kann man erkennen, ob der Kahnbeinbruch auch ohne Operation eine Chance zur Heilung hätte oder ob der Bruch wegen einer Fehlstellung oder Trümmerzone eher operiert werden sollte. Natürlich ist auch die Abneigung des Patienten gegenüber einer fast 3-monatigen Gipsbehandlung ein schwerwiegendes Argument für eine Operation.
- KÖRPERNAHES DRITTEL(proximal) – Diese Kahnbeinbrüche sollten immer verschraubt werden, um die Chancen einer knöchernen Heilung zu verbessern.
Wie funktioniert die Verschraubung des Kahnbeins?
Diese kann minimal invasiv und percutan, d.h. über einen 1 cm langen Hautschnitt erfolgen. Bei guter Platzierung der Schraube und stabiler Verankerung kann das Handgelenk wieder rasch bewegt werden. Im Normalfall wird für maximal 2 Wochen eine Orthese angelegt. Eine Gipsbehandlung ist hier nicht erforderlich.
Hierbei findet eine sogenannte Herbert-Schraube mit 2 unterschiedlichen Gewindegängen Verwendung, diese kann komplett im Kahnbein versenkt werden. Diese Schraube ist kanüliert, d.h. hohlgebohrt und kann über einen weitaus dünneren Draht mittels Röntgen-Kontrolle vorgebohrt werden.
Das rechte Bild zeit die Größe des Hautschnitts.
THERAPIE DES VERALTETEN BRUCHS
Das genaue Alter eines Kahnbeinbruchs ist vielen Patienten gar nicht bekannt oder wird falsch eingeschätzt. Wichtig für die Beurteilung ist das Röntgenbild und das CT des Kahnbeins. Hier kann die Qualität der Knochenstruktur bzw. das Ausmaß des Knochendefekts im Kahnbein beurteilt werden. Eine ausbleibende knöcherne Heilung wird als PSEUDARTHROSE bezeichnet, in diesem Fall als SKAPHOID-PSEUDARTHROSE oder KAHNBEIN-PSEUDARTHROSE. Natürlich besteht hier oft ein fließender Übergang zwischen „frisch“ und „alt“.
Folgende Abbildungen wurden freundlicherweise von der Fa. Martin zur Verfügung gestellt und zeigen den Ablauf einer
Pseudarthrosen-Operation
Hierzu wird das Knochen-Transplantat sorgfältig auf die Defekt-Größe angepasst und zurechtgearbeitet.
Natürlich soll der Draht den Knochen mittig durchqueren und den eingesetzten Knochenspan gut fixieren. Der Draht wird in verschiedenen Ebenen mit dem Röntgen-Bildwandler kontrolliert. Optimal ist eine zentrale Lage in der Verbindungslinie zwischen den beiden Polen. Anschließend wird die Länge des Drahtes gemessen und die Länge der nachfolgenden Schraube kalkuliert.
Wie muss ich mich nach einer einfachen Verschraubung meines frischen Kahnbeinbruchs verhalten?
Die Stabilität der eingebrachten Schraube ist von mehreren Faktoren abhängig. Wenn es sich um einen einfachen Querbruch ohne Trümmerzone handelt und der Operateur einen festen Eindruck beim Eindrehen der Schraube bei der Operation gewinnt, kann man die Nachbehandlung frühfunktionell gestalten. Das bedeutet, dass keine äußere Ruhigstellung erforderlich ist. Nur für den Wundschmerz oder zur Nacht kann bedarfsweise die ersten Tage eine Gips- oder Klettschiene getragen werden.
Die Schraube ist allseitig von Knochen umgeben, eine Metallentfernung ist nicht erforderlich.
OUT
Oberarm-Gipse werden bei der Behandlung der Kahnbein-Brüche nicht mehr angewendet, sind eher kontraproduktiv!
Stattdessen wird ein Unterarmgips mit Einschluss des Daumengrundgliedes verwendet.
Man spricht seit vielen Jahren nicht mehr vom Os naviculare an der Hand, sondern vom Os scaphoideum und von der Skaphoid-Fraktur und der Skaphoid-Pseudarthrose. Das Os naviculare befindet sich definitionsgemäß am Fuß. Zusammen mit modernen wissenschaftlich anerkannten Therapieformen sollten auch die aktuellen Begriffsbezeichnungen verwendet werden.!
Das CT im Achsverlauf des Kahnbeins ist sehr viel hilfreicher bei der Diagnose-Findung und Therapie-Entscheidung als ein MRT. Ein MRT kann hilfreich sein bei bereits bekannter Pseudarthrose zur Beurteilung der Vitalität des Kahnbeins, d.h. der Qualität der Durchblutung, als Prognosefaktor für die Heilungschancen nach Operation (s.u.)
„Ich habe einen veralteten Kahnbeinbruch ! Welche Möglichkeiten gibt es noch?“
In manchen Fällen können sich die Patienten an keinen Unfall mehr erinnern. Es kommt gelegentlich vor, dass im Rahmen eines frischen Unfalls eine alte nicht verheilte Kahnbeinverletzung festgestellt wird. Für die Heilungschancen ist nun neben dem Altern des Patienten natürlich auch das Alter der Verletzung mitentscheidend.
Es ist nun wichtig 2 Dinge zu klären:
Erstens die Qualität der Gelenkflächen um das Kahnbein herum, d.h. im gesamten Handgelenk und zweitens die Durchblutungssituation des Kahnbeins selbst und damit die Knochenqualität der beiden Kahnbein-Anteile). Die Gelenkflächen lassen sich zunächst mit einem herkömmlichen Röntgenbild beurteilen (oder mit einem MRT oder im Zweifel mit einer Arthroskopie des Handgelenks). Ob das Kahnbein noch gut durchblutet ist, zeigt eine MRT-Untersuchung mit Kontrastmittel.
Zeigt das Röntgenbild bereist eindeutige Knorpelschädigungen mit Gelenkspalt-Verschmälerung am Handgelenk, so spricht man von einem sogenannten SNAC-Wrist (Scaphoid Nonunion Advanced Kollaps) einem fortgeschrittenen Handgelenks-Zerfall infolge einer Kahnbein-Nichtheilung.
Die Skizze rechts soll dies erläutern.
Die roten Punkte zeigen den aufgebrauchten Gelenkspalt zwischen Speiche und Kahnbein. Die Speiche selbst ist hier deutlich formverändert. Infolge der Arthrose ist sie hier spitz ausgezogen.
Es haben sich hier degenerative Randzacken entwickelt, alles Zeichen eines fortgeschrittenen Gelenkverschleißes. Der blaue Pfeil zeigt auf der Skizze auf den Bruchspalt, auf den sogenannten Pseudarthrosen-Spalt. Es hat sich hier ein Falsch-Gelenk, ein Pseudo-Gelenk entwickelt.
Da hier bereits ein Gelenkschaden besteht und das Äußere des Kahnbeins unwiederbrindlich geschädigt ist, macht es keinen Sinn, das Innere des Kahnbeins wiederherzustellen. Auch im Falle der Knochen-Heilung würden hier nicht akzeptable Beschwerden verbleiben. Also sollte in derartigen Fällen das Kahnbein entfernt und eine Teilversteifung des Handgelenkes durchgeführt werden
(siehe auch unter Arthrose Handgelenk)
Diese Skizze zeigt blau eine veraltete Kahnbein-Pseudarthrose mit breitem Bruchspalt, aber noch weitem Gelenkspalt zwischen Kahnbein und Speiche. Hier besteht prinzipiell noch die Möglichkeit der Wiederherstellung des Kahnbeins. Im Zweifel kann eine Arthroskopie des Handgelenkes mit direkter Beurteilung der Gelenkflächen durchgeführt werden.